Am Samstag (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) steht für die deutsche Nationalmannschaft das erste Spiel seit der Heim-Europameisterschaft an. In Düsseldorf trifft das DFB-Team in der UEFA Nations League auf die ungarische Nationalmannschaft. Deren Trainer Marco Rossi spricht im DFB.de-Interview über das Duell, Ungarns EM-Leistung und seine deutsche Vergangenheit.
DFB.de: Herr Rossi, es gibt Menschen in Ungarn, die halten das Vorrunden-Aus Ihrer Mannschaft bei der Europameisterschaft für eine misslungene Turnierteilnahme. Wie beurteilen Sie das?
Marco Rossi: Wer sagt, dass wir bei dieser Europameisterschaft gescheitert sind, ist nicht objektiv.
DFB.de: Sie sind mit einem Sieg aus drei Partien ausgeschieden. Die Erwartungen nach Erfolgen gegen Deutschland und England in der jüngeren Vergangenheit waren aber andere. Unberechtigterweise?
Rossi: Nein, wir haben alle auf das Achtelfinale hingearbeitet. Aber ich habe vor dem Turnier gesagt, wenn wir weiterkommen, umrunde ich den Balaton mit dem Rad. Das sind 200 Kilometer. Ich schaffe nicht einmal zwei Stunden ohne Schmerzen in der Wade. Ich wollte damit zum Ausdruck bringen, wie schwer das gegen Teams wie Deutschland oder die Schweiz wird.
DFB.de: Woran hat es konkret gelegen, dass Sie die Gruppenphase nicht überstanden haben?
Rossi: Beim 1:3 gegen die Schweiz, waren wir bis zur Pause zu ängstlich, und es gab ein taktisches Missverständnis. Ich denke, in dieser Halbzeit haben wir die EM verloren. In der zweiten Hälfte waren wir gut. Beim 0:2 gegen Deutschland waren wir richtig stark, es hat uns Glück gefehlt. Die dritte Partie gegen Schottland haben wir gewonnen. Und dann hätten wir einen Sieg Portugals gegen Georgien gebraucht, stattdessen gewann unerwartet Georgien. Es war auch Pech dabei.
DFB.de: Sie haben nach dem EM-Aus den Eindruck vermittelt, als würden Sie vielleicht zurückzutreten.
Rossi: Ich habe nie gesagt, dass ich gehe. Nur, dass ich mich ausruhen und meinen Kopf frei bekommen muss. Ich brauchte Zeit, um zu verdauen, was passiert war. Jetzt ist der Tatendrang zurück.
DFB.de: Sie treffen nun auf Deutschland, diesmal wieder im Rahmen der Nations League. Es ist das fünfte Duell seit Ihrem Amtsantritt 2018. Sie haben eines gewonnen, eines verloren und zweimal Unentschieden gespielt. Ist es noch spannend?
Rossi: Spiele gegen Deutschland sind nie langweilig. (lacht) Vor allem nicht gegen Julian Nagelsmann. Er ist ein gewiefter Trainer, seine Spieler müssen sehr variabel sein. Und sie waren neben Spanien das beste Team bei der EM, wie ich finde. Schade, dass die zwei schon so früh aufeinandergetroffen sind.
DFB.de: Sie haben eine Vergangenheit mit dem deutschen Fußball. Von 1996 bis 1997 haben Sie für Eintracht Frankfurt gespielt. Dabei waren Sie nach Abstieg der SGE in der zweiten Bundesliga Kollege von Spielern wie Mauricio Gaudino oder Rudi Bommer. Allerdings sind nur 15 Spiele zustande gekommen. Wie kam es zu dieser kurzen Beziehung?
Rossi: Ich habe die ersten Spiele unter Trainer Dragoslav Stepanovic gemacht, die waren gut. Ich hatte eine Art Beckenbauer-Rolle als Libero und Spielgestalter. Die FAZ hatte mal einen Artikel überschrieben mit: "Der neue Kaiser". Dann war ich im Oktober und November verletzt, ein gebrochener Knöchel. Der Winter kam, und mittlerweile war Horst Ehrmantraut Trainer. Ich kam einen Tag zu spät aus dem Winterurlaub, ich war schlecht beim ersten Konditionstest, danach hatten wir keine so gute Beziehung mehr. Ehrmantraut vertraute aber ohnehin mehr den deutschen Spielern.
DFB.de: Auch Ihre Geschichte mit dem ungarischen Fußball hat ihren Anfang in Deutschland.
Rossi: Stimmt. Während meiner Zeit in Frankfurt bin ich immer zu einem Italiener in den Taunus gefahren, ich wohnte nicht weit entfernt. Pippo Giambertone, der Besitzer, und ich wurden Freunde. Irgendwann zog er nach Budapest und lud mich 2009 zu sich ein. In seinem Restaurant traf ich den Sportchef von Honved Budapest. Danach nahm alles seinen Lauf.
DFB.de: Wieviel Ungar steckt in Ihnen?
Rossi: Ich lebe seit 2011 in Ungarn. Nur einmal unterbrochen von einem Jahr in der Slowakei und einmal sechs Monaten in Italien. Ich fühle mich als Mensch hier sehr wohl, sonst könnte ich den Job nicht machen. Und mein Großvater war großer Fan der "Goldenen Elf" um Ferenc Puskas. Ungarn war in meiner Familie immer irgendwie präsent.
DFB.de: Sie sind mittlerweile ungarischer Staatsbürger.
Rossi: Der Wunsch danach war beiderseitig. Ich wollte es, der Verband wollte es auch. Ich fühle mich geehrt, denn es ist nicht leicht, ungarischer Staatsbürger zu werden.
DFB.de: Wie können Sie die DFB-Elf erneut schlagen?
Rossi: Wir treffen uns jetzt das erste Mal seit dem EM-Aus. Ich werde den Spielern sagen, was ich denke, welche Gründe dazu geführt haben, dass wir so früh nach Hause mussten. Wir werden sehen, wie schnell wir aus diesen Fehlern lernen.