Stiller: "Die Nervosität war schon enorm"

09.09.2024 13:30

Der 5:0-Heimsieg in der UEFA Nations League gegen Ungarn war für Angelo Stiller nicht der einzige Grund zum Jubeln. In der 82. Spielminute wurde der 23 Jahre alte Mittelfeldspieler für Robert Andrich eingewechselt und feierte seine Premiere im Dress der Nationalmannschaft. Im DFB.de-Interview spricht er über seine ersten Tage im Kreise des DFB-Teams sowie den Zusammenhalt zwischen Mannschaft und Fans.

DFB.de: Herr Stiller, Sie sind gegen Ungarn in der 82. Spielminute eingewechselt worden, kurz zuvor hat Kai Havertz das 5:0 erzielt. Ist man bei seinem Länderspieldebüt bei solch einem Spielstand dann etwas weniger nervös, weil man weiß, das Ding ist durch? Oder spielt das Ergebnis in dem Moment weniger eine Rolle?

Angelo Stiller: Es nimmt schon ein bisschen den Druck weg, wenn man weiß, normalerweise brennt nichts mehr an. Und man kann frei aufspielen, was man ja eigentlich sowieso tun sollte. Aber die Nervosität ging trotzdem nicht weg, die war schon enorm bei mir. Das habe ich anfangs nicht so realisiert. Aber als der Ball mal kurz ins Aus ging, habe ich gemerkt: Hey, du spielst für Deutschland. Das war schon ein kleiner Gänsehautmoment.

DFB.de: Haben Sie alle Nachrichten zu Ihrem Einstand beantworten können?

Stiller: Es waren schon sehr viele Glückwünsche. Ich bin noch dabei, allen zu antworten. Das ist schon anstrengend, aber auch schön. Das macht man ja gerne.

DFB.de: Am Sonntag sind Sie und Ihre Teamkollegen von 7000 Fans beim öffentlichen Training in Düsseldorf gefeiert worden…

Stiller: Ich finde so etwas richtig geil. Bei uns in Stuttgart hat man gesehen, was möglich ist, wenn Fans und Mannschaft eine Einheit sind. Das ist essenziell für den Erfolg. Auch bei der Nationalmannschaft haben wir jetzt wieder eine Welle erwischt.

DFB.de: In Amsterdam wird es am Dienstagabend sicher auch sehr stimmungsvoll zugehen.

Stiller: Ich war schon in der Arena, habe dort aber noch nicht gespielt. Nach einer Partie in der UEFA Youth League waren wir am Abend noch zu einem Spiel in der Champions League eingeladen. Die Stimmung war krass. Ich freue mich drauf.

DFB.de: Mit dem Highlight Ihres ersten Länderspiels am sechsten Tag sind Sie jetzt seit einer Woche bei der Nationalmannschaft. Wie haben sich diese Tage angefühlt?

Stiller: Es macht enorm viel Spaß, ich hätte es mir nicht besser vorstellen können. Die Jungs haben mich super aufgenommen, wir reden viel miteinander und haben auch neben dem Platz sehr viel Spaß. Es ist wichtig, dass man sich wohlfühlt, dann kann man die Dinge mit Selbstvertrauen angehen. Das hat jeder hier, das merkt man.

DFB.de: Hilft es beim Ankommen, wenn man schon einige Spieler aus dem Verein kennt?

Stiller: Ich habe schon Glück, dass wir hier einen ordentlichen VfB-Block haben. Gleich am Anfang meine Bezugspersonen zu haben, hat es mir einfach gemacht.

DFB.de: Wir stark ist die Nationalmannschaft Thema beim VfB Stuttgart, etwa in der Kabine? Wie oft haben Sie dort untereinander in den vergangenen Monaten über Ihre mögliche Nominierung gesprochen?

Stiller: Das war schon ab und zu mal Thema, aber nie so groß. Außer natürlich, wenn Deniz (Undav, Anm. d. Red.) seine Späße macht... Ich habe mich für jeden Einzelnen über seine Nominierung gefreut, jeder hatte sie verdient. Und jetzt freue ich mich, selbst dabei zu sein.

DFB.de: Wie haben Sie die Heim-EM im Sommer verfolgt?

Stiller: Wie jeder deutsche Fußballfan. Gegen Spanien war ich sogar in Stuttgart im Stadion und stand 120 Minuten lang auf der Gegentribüne. Da hat niemand gesessen. Ich habe den Jungs sehr die Daumen gedrückt und wollte, dass sie das Ding nach Hause holen. Das Aus war sehr bitter.

DFB.de: Den "Geist von Herzo", der während der EM im Home Ground in Herzogenaurach herrschte, kannten Sie sicherlich aus den Social-Media-Clips. Jetzt waren Sie mittendrin.

Stiller: Man merkt hier einfach, dass jeder ein normaler Mensch ist. An sich ticken alle gleich. Alle wollen Spaß haben, haben dabei auch mal Quatsch im Kopf. Dann entstehen auch solche Momente. Und das schweißt die Truppe zusammen, wenn man merkt, man kann zusammen erfolgreich sein und Spaß haben.

DFB.de: Wissen Sie schon, wer Ihr erstes Trikot von der A-Nationalmannschaft erhält?

Stiller: Ich habe es direkt nach dem Spiel meiner Freundin gegeben. Das hänge ich zu Hause auf.

DFB.de: Wir hatten an den TSV Milbertshofen gedacht, Ihren Heimatverein, dem Sie eines Ihrer ersten Trikots vom FC Bayern München, bei dem 2019 Ihre Profikarriere in der 3. Liga begonnen hatte, geschenkt haben. Mit der Aufschrift: "Einmal Milbe, immer Milbe - Euer Angelo".

Stiller: Da muss ich mir noch was überlegen. Das war meine erste Station, ich hatte dort eine schöne Zeit. Ich bin immer noch sehr oft in Milbertshofen und versuche dann, zum Sportplatz rüberzuschauen und genieße die Zeit dort.

DFB.de: Ihr Bruder Marco spielt mittlerweile nicht mehr dort, sondern ist zum FC Eintracht München in die Kreisklasse abgewandert.

Stiller: Der ist mit seinen besten Freunden zu einem anderen Verein gewechselt, um ohne Ambitionen, aber mit Spaß zu kicken. Der war auch ein guter Kicker, hat sich dann aber irgendwann auf die Schule fokussiert. Ich habe früher oft gegen ihn gespielt, ich wollte immer bei den Großen mithalten. Das war eine wichtige Schule.

DFB.de: War er Samstagabend auch im Stadion?

Stiller: Leider konnte er nicht, sonst ist er eigentlich bei jedem meiner Spiele dabei, auch auswärts. Jetzt war er verhindert, saß aber vor dem Fernseher.

DFB.de: Sie kommen aus einer Fußballerfamilie, Ihr Vater Matthias hat in der Jugend für Bayern und Unterhaching gespielt, Ihr Onkel Michael ist seit vielen Jahren Trainer, aktuell beim TSV Allershausen in der Kreisklasse. Er hat gerade in einem Interview über Sie gesagt: "Wenn er mal 40 ist und bei einem Amateurverein spielen möchte, dann sage ich ihm, wohin er gehen soll". Wir wollen keine Transferspekulationen befeuern, zudem ist bis dahin noch 17 Jahre Zeit. Aber so viel kann man bei Ihrer Familiengeschichte wahrscheinlich verraten: Dem Fußball werden Sie verbunden bleiben.

Stiller: Wenn die Familie zusammenkommt, wenn wir zusammen essen gehen, ist das Gesprächsthema Nummer eins Fußball. Wir diskutieren alles - egal, um welche Liga es geht. Manchmal kommt es dabei auch zu Meinungsverschiedenheiten… Aber grundsätzlich ist es schön, ein gemeinsames Thema zu haben. Und ich habe auf jeden Fall vor, noch mal mit meinen Jungs zu kicken, wenn es nicht mehr für den Profifußball reicht. Einfach so aus Spaß.